Nun bin ich also ein Kind gewesen, das in einer Welt aufgewachsen war, die durch und durch idealisiert wurde. Ich meine ich hatte eine sehr schöne Kindheit und es wurde sich um mich gekümmert. Der Staat kümmerte sich rührend um seinen Nachwuchs und es sollte an nichts mangeln, damit die Eltern arbeiten konnten, ja beide konnten einer Tätigkeit nachgehen. Der Staat regelte den Rest und erzog die Kinder mit. Zwar war immer viel Politik dabei, aber ich kannte es nicht anders und meine Eltern hielten sich da heraus. Ich glaubte alles und ich war der Gute. Das machte mich stolz und ich verstand die Welt einzuteilen in ...
Gut und Böse
Mal ehrlich das macht ihr doch auch. Ihr teilt euch die Welt ein und lebt in dieser, findet euch zurecht und habt euer Auskommen. So hab ich es auch getan und da ich noch jung war, stellte ich nie die richtigen Fragen.Wieso auch, es war gar nicht relevant. Alles ergab einen Sinn und so kämpfte ich, eine für mich gerechte Sache.
Kinder sind naiv und das kann man ausnutzen. Und so lange du systemtreu bist, so lange wirst du auch einen leichten Weg gehen und niemand wird dir absichtlich Steine in den Weg räumen. Ups, das kommt mir aber gerade doch zu sehr bekannt vor. Ist das nicht in den Parteien auch so. Sei Systemtreu und dir gehts gut, Abweichler werden bestraft. Natürlich im Sinne der Demokratie. Aber bleiben wir bei der Ideologie, die mir als Kind eingeimpft wurde. Ich bin also ein Kind der DDR, ein spätes Kind und so kam die Wende bei mir noch in der Kindheit. Eigentlich kam sie genau richtig, um Unheil zu vermeiden. Es war dieses Alter wo man eh umbricht, vom Kind zum Manne.
Die Ideologie aus meiner Kindheit
Wir hatten Helden und Idole, denen es nach zu eifern galt. Da gab es Ernst Thälmann, Lenin, Karl-Marx, Rosa Luxenburg und Karl Liebknecht. Das waren alles Helden unseres Sozialistischen Systems. Und da gab es auch nie ein Zweifel. Ernst Thälmann als Verfechter von sozialer Gleichbehandlung, der seinen Mitmenschen half wo er nur konnte. Karl Liebknecht und Rosa Luxenburg, die für den Sozialismus gestorben sind. Da gab es Karl-Marx und Lenin, die den Kommunismus geschaffen haben. Und denen wir es verdankten, das alle eine Arbeit und Brot zum Essen hatten. Es gab den Roten Bruder, die UdSSR "Union der sozialistischen Sowjet Republiken", der uns nach dem Krieg geholfen hat, die DDR aufzubauen. Der uns Brot und Suppe in Gulaschkanonen brachten, damit wir nicht verhungerten. Dazu gab es Bilder von Soldaten mit roten Fahnen und Bildern mit den mitleidigen Soldaten, die Kindern etwas zu essen gaben. Natürlich kannten wir diese Dinge nur aus dem Geschichtsbuch, geglaubt haben wir sie trotzdem. Dies wurde uns so eingeredet und wir haben es geglaubt. Woher sollten wir auch wissen, das es nicht ganz der Wahrheit entspricht. Es wurde auch über Raparationen geredet und das der böse Westen da nicht so viel zahlen musste wie der Osten. Das empfanden wir als ungerecht und deswegen waren die da drüben die Bösen. Sie waren eh an allem Schuld. Sie waren Schuld wenn es Krieg gibt, sie waren die, die den armen Menschen auf der Welt nicht halfen. Sie waren eigennützig und geizig. Eigentlich waren sie von den USA auf diesen Stand gehoben wurden, während wir es aus eigener Kraft schaffen mussten. Wenigstens das ist mal eine Wahrheit, der man so wirklich auch heute noch Glauben schenken kann. Und da gab es noch den Dauerbrenner Arbeitslosigkeit und Armut. Das was es in der DDR niemals geben würde. So hat man es uns versichert. Wir kannten die schlimmen Zustände nicht, wir waren den Anblick gewohnt, den uns unsere Städte gaben. So wie auch ein Kind aus dem Dschungel nur die Zustände kennt, denen es täglich ausgesetzt ist. Es wird nie merken in welcher Lage es gegenüber anderen ist, wenn es die nicht wenigstens 1x gesehen hat. Und wieviele Spendenaufrufe es in der Schule gab, für die Länder der 3. Welt, für Nelson Mandela, für Kuba, für Mosambik und Äthiopien. Wir schickten kleine Bilder und Kleidung. Heute würde ich sagen: "Och wie süß". Und überall in jedem Klassenzimmer hing Erich Honecker als Oberhaupt und Präsident der Deutschen Demokratischen Republik. Der vom Dachdecker aufgestiegen ist und so ein Sinnbild für die DDR darstellte, das man es hier schaffen kann. Das man nur hier soetwas erreichen kann und sonst nirgends. Und über den Fabriken leuchtete jeden Tag der rote Stern. Was bedeutete, das der Plan erfüllt oder sogar übererfüllt wurden ist. Jeden Tag wenn ich vom Hort (Betreuung der Kinder nach der Schule) nach Hause gefahren bin, habe ich ihn leuchten sehen. Und ich war stolz darauf, das dies so war und ich war Stolz das meine Mutter in diesem Werk arbeitete, als Frau unter vielen Männern. Später dann ging ich Nachmittags in AGs (Arbeitsgemeinschaften) um meine Freizeit mit Sport, Schach, Elektronik usw. zu verbringen. Diese AGs waren Teil der Schule und sie machten uns Spass. Ich habe noch die Medallien der Wettkämpfe, die ich gewonnen hatte. Und mein Trainer meinte ich wäre gut und das spornte mich an noch besser zu werden. Ich hatte eine ausgefüllte Kindheit und ich habe sie genossen in allen Zügen.
Die Wende - der Umbruch
Als ich dann 12 wurde, eigentlich sogar an diesem Tage, dem 09.11.1989. Da wurde die Mauer geöffnet und alles änderte sich. Ja es änderte sich nicht nur, das wir jetzt alle Reisen durften und das wir jetzt auch "frei" waren. Nein es änderte sich Alles. Vom denken, handeln, fragen, antworten, fühlen eben einfach Alles. Als Erich Honeker abgesetzt wurden war, da brach eine Welt für mich zusammen. Er abgesetzt: "Hoffentlich wird der neue genauso gut wie er." kam es aus meinem Mund. Aber Hallo, was sollte ich denn sonst denken. Mir fehlte die Sicht und das bringt junge Menschen zu solchen Denkweisen. Ich begriff es nicht sofort und ich brauchte einige Monate um zu realisieren, das alles an das ich geglaubt habe nun nicht mehr gilt. Das alles falsch und verdorben, das nichts real und das nichts die alten Zustände wieder bringen wird. Eine Welt ist gestorben, die Welt der Guten. Aber es war nicht zu spät. Ich musste also meine Ideologie ablegen und sollte, wenn es nach dem neuen Unterrichtsplan ging, schnell die neue "bessere" Ideologie annehmen. Aber das war nun nicht möglich. Ich hatte mich damit abgefunden, das die DDR eine Illusion um mich herum aufgebaut hatte und diese nun nicht mehr existierte, aber eine neue Ideologie annehmen, das ging nun wirklich nicht. Vielleicht ist diese genauso schlecht wie die andere, wer weiß es? Klar jetzt war Deutschland wieder vereint und alles wird besser werden, so hat Helmut Kohl es schliesslich versprochen. Doch dann kamen Dinge, die dem Faß den Boden ausschlagen und ich glaubte nichts mehr. Es begann damit, das plötzlich alle möglichen Unternehmen schliessen mussten. Ja sogar rentable Unternehmen wurden geschlossen, weil sie selber nicht imstande waren sich zu organisieren. Sie wurden in einer Treuhand eingegliedert und meist für eine symbolische Mark verkauft und einfach abgewickelt. Der DDR wurden sämtliche wirtschaftliche Grundlagen entzogen. Das brachte eine ungeahnte Massenarbeitslosigkeit und ungeheuerliche große Probleme mit sich. So gab es sehr viele Menschen, die ihr gesamtes erspartes Geld in Produkte aus Westdeutschland steckten, ja teilweise sogar noch finanzierten und dann in die Arbeitslosigkeit rutschten. Meine Mutter war Fassungslos wie dumm die Menschen sind und ich verlor den Respekt gegenüber älteren Leuten. Aber sie waren unwissende, die nicht wussten was für einer Schlange sie da vertrauten. Sie säuselte süße, verführerische Worte und hypnotisierte ihre Opfer. Erst als sie sich um ihren Hals legte und fest zu zog, das ihnen der Atem wegbliebt, da wachten sie auf. Aber es war zu spät. Ab diesem Zeitpunkt legte mir meine Mutter die Worte ins Ohr: "Wir leben jetzt in einer Ellenbogengesellschaft. Wer etwas erreichen will der muss sich durchsetzen und gelegtlich mit dem Ellenbogen, die anderen wegstoßen." Ich habe es nicht gleich verstanden, aber später waren sie Gold wert.
Das neue System
Hatte ich nicht sofort verstanden, aber ich lernte mit ihm umzugehen. Es gab viele Situationen wo man merkte, das Demokratie im eigentlichen Sinne anders sein müsse, aber das waren Kleinigkeiten. Ich lernte das der Staat den Rahmen bildet, in dem die Menschen und Unternehmen zu handeln haben. Der Staat greift nicht ein und so können alle im Rahmen dessen handeln. Nur wenn die staatliche Stabilität usw gefährdet ist, ist es ihm erlaubt einzugreifen. Ok, das fand ich echt gut. Vorher war der Staat alles und nun ist er nur Lenker. Man musste also keine Angst haben. Aber das war nur Theorie und wie jede Theorie ist sie in der Praxis eine andere. Aber der Staat war weit weniger als ich dachte. Keine Kinderbetreuung, keine AGs mehr, hier zählte jeder nur sich selbst und Selbstliebe hielt auch bei uns Einzug. Man spürte den neuen Druck und viele waren diesem nicht gewachsen. Sie zerbrachen am neuen System, weil es mehr verlangte und reine Treue nicht mehr reichte um weiter zu kommen. Erste Tränen wurden der DDR hinterher geweint. Der Satz es ist nichts alles Gold was glänzt, erfuhr plötzlich eine reale Bedeutung. Nur eines fehlte von Früher, das Einteilen der Welt in Gut und Böse. Jetzt gab es nur noch Reich und Arm oder Missgunst und Mitleid. Das Feindbild brach weg und sollte schon bald durch ein neues ersetzt werden. Mit Feindbildern kann man Dinge tun, die ohne unmöglich wären. Aber gehen wir noch nicht ganz so weit. Eines was sich sehr schnell etablierte waren Supermärkte, diese schossen wie Pilze aus dem Boden und meisten gab es an wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Jeder tummelte sich dort und jeder gab sich dem Rausch des Konsums hin, wenn er es sich denn leisten konnte. Viele von ihnen arbeiteten schon gar nicht mehr selbst in der Heimat, sondern fuhren wöchentlich der Arbeit entgegen, in den Westen. Nun gab es da einen schlauen Mann, dessen Namen ich leider vergessen habe, der behauptete folgendes. Es ging dabei um den Solidaritätszuschlag und um den Geldfluss innerhalb der Bundesrepublik. Er sagte: "Klar arbeiten sehr viele Menschen aus Ostdeutschland im Westen und generieren so einen Geldfluss in den Osten". Auch der Solidaritätszuschlag macht diesen Weg, allerdings bezahlen ihn alle Deutschen, so auch der Ossi. "Aber gleichzeitig sind Kolonnen an LKW in den Osten unterwegs und bringen Waren, die im Westen hergestellt werden. Dabei wird der Geldfluss wieder rückgängig gemacht." Denn auch der Ostdeutsche legt ja ein gewisses Konsumverhalten an den Tag. Und nimmt man nun die steigenden Lebenshaltungskosten und den Verdienst, so stellt sich heraus das eigentlich nicht mehr viel im Osten übrig bleibt. Es fehlt an Investitionen. So sind im Osten 400 nennenswerte Unternehmen sitzhaft, gleichzeitig sind es aber 30.000 im Westen der Republik. Die wirtschaftliche Zweiteilung bleibt also bestehen. Um dies zu ändern änderte der Staat den Rahmen, aber eigentlich griff er ein. So stellte er Subventionen in Aussicht, wenn sich Unternehmen in Ostdeutschland ansiedeln und so den Leuten vor Ort Arbeit verschaffen. Gewerbegebiete wurden aus dem Boden gestampft, wo sich mehrer Unternehmen ansiedeln und so Synergieeffekte generieren sollten. Hat es etwas gebracht? Am Anfang schon, aber die Unternehmen erkannten die Verwundbarkeit und ihre Lobby. Sie siedelten an, aber über die Höhe der Subventionen feilschten sie und drohten mit dem Gang in andere Gebiete. Die Politik lies sich täuschen und der Weg nahm seinen Lauf. Die Subventionen wurden an eine Zeitspanne geklammert und der Unternehmer erfülllte sie. Doch als diese Zeitspanne erreicht wurden war, da wanderte der Unternehmer einfach aus. Er ging nach Polen, Rumänien oder Tschechien. Und das nennt man Subventionstourismus.
Das also soll die neue Ideologie sein, an die ich glauben soll. Ich habe echt schon besser gelacht. In dieser Ideologie wird jeder von hinten bis vorne verarscht und jeder ausgenommen. Raubtierkapitalismus, genau das ist es. Wieviel soll ich einem System vertrauen wenn es nur wachsen kann, wenn ein anderer Schulden macht. Das Wachstum ist schon logisch irgendwann am Ende. Und dieses Ende ist vielleicht näher als wir glauben. Und dann kommt da so ein seelisch zerbrochener Penner und will auch noch die Goldreserven der Bundesbank an den EU-Rettungsfond verpfänden. Irgendwo ist mal Schluss. Obwohl das vielleicht auch nicht so schlimm wäre. Denn unser Geld decken tut es auf keinen Fall. Wir leben im Papiergeldzeitalter und die einzige Deckung ist der Glaube an den Wert.
Soweit...